Die Würdenburg - Das wahre Schloss zu Teutschenthal
- Abb. 1: Barockes Familienwappen der Herren von Trotha und die Jahreszahl [158...] im Hof der Würdenburg. Foto: Mike Leske, 2013
- Abb. 2: Die Würdenburg um 1850. Blick auf den Westflügel. Bild: Gerlach 2003, S. 2
- Abb.3: Rittergut Würdenburg während eines Manövers um 1860. Lithografie: Duncker 1857/83, S. 115
- Abb. 4: Hofansicht der Würdenburg heute. Foto: Mike Leske, 2013
- Abb. 5: Eingestürzter Fassadenteil auf der Nordseite im Jahr 2013. Foto: Mike Leske, 2013
- Abb. 6: Teil der barocken Stuckdecke von 1710. Foto: Mike Leske, 2013
- Abb. 7: Der Zustand der Würdenburg nach dem Abriss im April 2019 in einer Gegenüberstellung mit der historischen Abbildung aus der Zeit um 1860. Bilder: Oben, die Würdenburg während eines Militärmanövers um 1860. Lithografie: Duncker 1857/83, S. 115. Unten, Foto: Anja Ulrich, 2. April 2019
Liebe Heimatfreunde,
seit mehr als 400 Jahren prägt ein stattliches Schloss die Teutschenthaler Ortsmitte! Damit ist allerdings nicht das prachtvolle Herrenhaus der Unternehmerfamilie Wentzel in Oberteutschenthal gemeint. Diese gründerzeitliche Villa aus dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde lediglich durch den Volksmund zum „Schloss“ erhoben.
Der Begriff „Schloss“ beinhaltet nach dem kunsthistorisch bzw. architektonischen Verständnis des Wortes, ein von einem Adelsgeschlecht in Auftrag gegebenes Anwesen. Ein solches historisches Gemäuer ist in der Ortschaft Teutschenthal unweit der Gemeindeverwaltung zu finden. Auch wenn das heutige ruinöse und verwahrloste Erscheinungsbild es kaum noch erahnen lässt, bildete die dortige Würdenburg bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein das wirtschaftliche und politische Zentrum des Ortes und seines Umlandes.
Der ursprüngliche Renaissancebau wurde von der Familie von Trotha errichtet, welche von hier aus über Jahrhunderte hinweg die Regionalgeschichte bestimmte (Abb. 1). Das noch heute weit verbreitete Geschlecht, leitet seinen Namen und die Herkunft vom Dorf Trotha ab, welches seit 1900 in Halle eingemeindet ist. Der herausragende Vertreter dieser Familie ist der Merseburger Bischof Thilo von Trotha (1466–1514). Traurige Berühmtheit erlangte Lothar von Trotha (1848–1920). Sein Oberbefehl bei der blutigen Niederschlagung des Herero-Aufstandes (1904–1908) in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, belastet den Familiennamen bis in die Gegenwart.
Mit dem Verkauf der Herrschaft Seeburg (in der Mitte des 13. Jahrhunderts) gelangte deren Besitz im Jahr 1287 über Umwege an die Grafen von Mansfeld. Als Hausvögte der Mansfelder Grafen waren Wolf von Trotha (gestorben 1375) und dessen jüngster Sohn Nicolaus (gestorben 1412) mit Gütern entlang des Würdebaches belehnt worden. In der südlich der Würde gelegenen und 1219 als „Wordhem“ erstmals erwähnten kleinen Siedlung „Würden“ gab es bereits einen zentral gelegenen Freihof. Von hier aus hatten schon die Grafen von Seeburg ihre umliegenden Besitzungen verwalten lassen. Auf diesem Hof ließen sich nun auch die Trothaer nieder und begründeten mit Hans von Trotha (gestorben 1468) die Teutschenthal-Bennstedter Linie der Familie. Neben der Verwaltung der Mansfeldischen Lehnsgüter übte dieses Geschlecht auch die Gerichtsbarkeit über „Hals und Hand“ aus und kümmerte sich um Kirchenangelegenheiten, wie die Instandhaltung der Gotteshäuser oder die Berufung der Pfarrer im Würdebachtal. Wegen der seit 1365 bestehenden Zweiteilung Teutschenthals mussten diese Herrschaftsrechte allerdings mit dem Hochstift Merseburg geteilt werden.
Der sich stetig vergrößernde Besitz entlang des Würdebaches und der damit verbundene Repräsentationsanspruch der Edlen zu Trotha machten einen standesgemäßen Herrschaftssitz notwendig. Zu diesem Zweck ließ Friedrich von Trotha (gestorben 1615) die mittelalterlichen Gebäude des Freihofs im späten 16. Jahrhundert abreißen und durch ein stattliches Herrenhaus ersetzen. Auf winkelförmigem Grundriss entstand ein renaissancezeitliches Schloss aus zwei Flügeln, in deren Winkel ein weithin sichtbarer oktogonaler Treppenturm mit markanter Schweifhaube emporstrebte.
Das im dreißigjährigen Krieg unversehrte, inzwischen aber nicht mehr zeitgemäße Renaissanceschloss wurde unter Franz Casimir von Trotha (1679–1711) im Jahr 1710 dem barocken Stil angepasst und teilweise umgebaut. Nach dessen Tod wurde das Anwesen aber von den Erben nicht mehr genutzt, sondern verpachtet.
Die Bezeichnung als „Rittergut“ ist ab dem 19. Jahrhundert nachweisbar und ein in den preußischen Landen weitverbreiteter Begriff für auf dem Land befindliche stattliche Anwesen (Abb. 2).
Die fast 400jährige Herrschaft der Edlen zu Trotha in Teutschenthal endete mit dem Verkauf der Würdenburg im Jahr 1832. Finanzielle Nöte hatten Ludwig von Trotha (1811–1895) dazu gezwungen, sämtliche Besitzungen in Teutschenthal zu veräußern.
In seiner weiteren Geschichte wechselte das Rittergut mehrmals seinen Besitzer und diente dabei zusammen mit den umliegenden Ländereien des Öfteren als Schauplatz preußischer Militärmanöver. Bei einem dieser Manöver, im September 1857, waren neben hochrangigen Vertretern des europäischen Hochadels auch der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) sowie der Prinz von Preußen, der spätere deutsche Kaiser Wilhelm I. (1797–1888), auf Schloss Würdenburg anwesend (Abb. 3).
Danach versank die Würdenburg in der Bedeutungslosigkeit. Als Erbschaft seiner Frau Ella, geborene Zimmermann, gelangte das Anwesen im Jahre 1915 in den Besitz des preußischen Oberamtmanns Carl Wentzel (1876–1944). Dieser ließ 1928 durch den bekannten Architekten und Burgenforscher Hermann Wäscher letzte Umbaumaßnahmen am Herrenhaus durchführen. Dabei wurde unter anderem der Westflügel um zwei Fensterachsen verlängert und das Gesindehaus aufgestockt. Nach Bodenreform und Enteignung der Familie Wentzel 1945 war im Hauptgebäude eine Zahnarztpraxis untergebracht. Später diente das einstige Herrenhaus als Kindertagesstätte (bis 1986) und Kinderkrippe (bis 1991). Infolge eines Gebirgsschlages im Jahr 1940 hatten sich am Treppenturm Risse gebildet. Obwohl ein Erhalt des Baukörpers von der damaligen Denkmalschutzbehörde angestrebt wurde, wurde dieser 1951 abgetragen.
Nach der Rückübertragung der Würdenburg an die einstige Eigentümerfamilie nach der deutschen Wiedervereinigung stand das Anwesen leer und verfiel zusehends (Abb. 4). Ein Teil der Nordfassade neben dem Haupteingang stürzte bereits um 2010 ein (Abb. 5). Im Sommer 2018 folgte der Teileinbruch des Daches.
Nur das ehemalige Gesindehaus, welches seit den letzten Umbauarbeiten von 1928 unmittelbar an das Hauptgebäude angrenzte, war von den Eigentümern teilweise saniert worden und wurde trotz des ruinösen Umfelds vermietet.
Im angrenzenden Hof der Würdenburg waren im Laufe der Zeit etliche Wirtschaftsgebäude wie Schaf-, Ochsen- und Pferdestall mit Stroh, Heu- und Häckselboden entstanden. In den Zeiten der DDR wurden diese von der Bäuerliche Handelsgenossenschaft weitergenutzt. Die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft von Teutschenthal richtete auf dem Gutshof zudem eine Mosterei ein, deren Betrieb Anfang der 1990er Jahre eingestellt wurde. Eine so genannte Hochfahrtscheune war bereits nach der Bodenreform abgetragen worden. Heute ist der gesamte Wirtschaftshof dem Verfall preisgegeben und bietet ein trauriges Bild.
Nach jahrelanger Vernachlässigung wurde die Würdenburg am 1./2. April 2019 abgerissen. Damit verschwanden neben vielen renaissancezeitlichen und barocken Schmuckelementen auch die originalen Stuckdecken aus der Zeit um 1710 (Abb. 6). Lediglich ein Familienwappen derer von Trotha wurde gesichert. Es soll demnächst im "Schloss-Hotel" der Familie Wentzel integriert werden.
Trotz verstärkten Engagements in den letzten Jahren und dem Hinweis auf die Bedeutung des Gebäudes für den Ort und die Region, ignorierten die Eigentümer bis zuletzt ihre Verantwortung gegenüber dem historischen Erbe.
Mit dem Abbruch der Würdenburg hat Teutschenthal sein wohl bedeutendstes Baudenkmal verloren. Über 400 Jahre Ortsgeschichte wurden unwiederbringlich vernichtet (Abb. 7).
Mike Leske M.A.
(Stand: 11. April 2019)
Video zur Würdenburg
Literatur
- Alexander Duncker: Die ländlichen Wohnsitze, Schlösser und Residenzen der ritterlichen Grundbesitzer in der preußischen Monarchie, 16 Bände (Berlin 1857–1884).
- Heino Einführ u. a. (Hrsg.): Teutschenthal. Die verbotene Chronik. Originalabschrift vom Jahre 1979 (Halle 2004).
- Margarete Gerlach: Teutschenthal in alten Ansichten (Zaltbommel 1997).
- Mike Leske: Schöne Grüße – Ansichtskarten und Lithografien aus Eisdorf, Teutschenthal & Teutschenthal-Bahnhof, 7. Neuauflage (Teutschenthal 2016).
- Sabine Meinel, Birthe Rüdiger: Denkmalverzeichnis Sachsen-Anhalt, Band 5, Saalkreis (Halle 1997), S. 127–130.
- Anke Mückenheim: Das Schloss Würdenburg der Familie von Trotha in Teutschenthal – eine erste Dokumentation (Halle 2017).
- Erich Neuß: Wanderungen durch die Grafschaft Mansfeld. Im Seegau. 2. Aufl. (Halle 1999), S. 58-89.
- Albert Schröder: Teutschenthal. Ein Beitrag zur tausendjährigen Geschichte des Ortes (Eisleben 1929).
Internet
- http://trotha.de/spuren/teutschenthal/die-trothas-in-teutschenthal Die Trothas in Teutschenthal (Zugriff am 3. März 2012).