Gemeinde Teutschenthal

Vom Klosterbesitz zur Staatsgrenze – Teutschenthals geteilte Vergangenheit

Wie die Besitzungen des Klosters Kaltenborn im Mittelalter den Verlauf einer späteren Staatsgrenze bestimmten und bis ins 20. Jahrhundert die Geschichte Teutschenthals prägten.

 

Südlich von Emseloh, einem Ortsteil der Stadt Allstedt im Landkreis Mansfeld-Südharz, befand sich vor rund 500 Jahren das Augustinerchorherrenstift Kaltenborn. An einem Hang gelegen und unweit einer namensgebenden kühlen Quelle war es bereits 1118 gegründet worden. Stifter waren der sächsisch-thüringische Graf Wichmann und seine Gemahlin Kunigunde, eine Tochter des legendären Thüringer Landgrafen Ludwig dem Springer.

Vom Hochadel begünstigt entwickelte sich Kaltenborn rasch zu einem der wohlhabendsten Klöster der Region – ein geistliches Zentrum mit beträchtlichem Einfluss und Ansehen. Doch die Blüte währte nicht ewig. Als 1525 der Bauernkrieg Mitteldeutschland erfasste, traf auch Kaltenborn der aufgestaute Zorn der Unterdrückten. Am 30. April wurde das Kloster von aufständischen Bauern aus den nahen Dörfern Riestedt und Emseloh geplündert und verwüstet. Von dieser Zerstörung erholte sich die Gemeinschaft nie mehr. 1538 wurde das Kloster endgültig aufgehoben.

Zwischen 2023 und 2025 fanden auf dem ehemaligen Klostergelände drei archäologische Grabungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) statt (Abb. 1). Die Funde eröffnen neue Einblicke in das klösterliche Leben und die Nutzung des Areals – und lassen die dramatischen Ereignisse vor 500 Jahren eindrucksvoll lebendig werden.

Besitzungen und Einfluss bis vor die Tore Halles

Dank großzügiger Schenkungen verfügte das Kloster Kaltenborn über weitreichenden Besitz – vom südöstlichen Harzvorland bis in den Thüringer Wald und vor die Tore der Stadt Halle. In einer 1136 von Kaiser Lothar ausgestellten Urkunde wurden dem Kloster zahlreiche Güter und Privilegien bestätigt. Darunter finden sich auch die Orte Asendorf (Asethorp) und Etzdorf (Erardestorp). Aus insgesamt zwölf Hufen Land bezog Kaltenborn dort den sogenannten Zehnten, also ein Zehntel der landwirtschaftlichen Erträge.

Auch in der heutigen Ortslage Teutschenthal, die im Mittelalter aus mindestens sechs voneinander unabhängigen Dörfern bestand, besaß das Kloster zehntpflichtige Güter. Während die ersten beiden Grabungskampagnen in Kaltenborn der Klosterkirche galten, standen im Sommer 2025 die Wirtschaftsgebäude im Mittelpunkt. Für eine Woche durfte der Verfasser dieser Zeilen die Forschungen unterstützen und war in dieser Zeit im Bereich der vermuteten Zehntscheune eingesetzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass hier seinerzeit auch die Abgaben aus den Teutschenthaler Ländereien eingelagert waren, verlieh der spannenden Arbeit eine zusätzliche persönlich-emotionale Note.

Vom Klosterbesitz zur zersplitterten Herrschaft

Doch zurück zu den historischen Fakten: Nach 1120 ließen die Kaltenborner Augustinerchorherren in Osniz (auch Osniza und Osnitz, dem späteren Unterteutschenthal) und im westlich gelegenen Deusne (auch Dussina und Deussen, später Oberteutschenthal) zwei Kirchen errichten. Beide Gotteshäuser wurden 1129 vom Halberstädter Bischof Otto von Kuditz geweiht.

Als das Kloster Kaltenborn im Jahr 1365 aber seine Besitz- und Grundrechte in Deussen an das Bistum Merseburg verkaufte, verblieb nur ein kleiner Teil in Osnitz im Kaltenborner Besitz. Obendrein hatte Erzbischof Wichmann von Magdeburg mehr als 200 Jahre zuvor die Patronatsrechte beider Kirchen im Würdebachtal von den Kaltenborner Grundrechten getrennt und diese an die Propstei in Seeburg übertragen. Das Recht die Pfarrstelle in der Laurentiuskirche in Deussen zu besetzen, ging somit über Umwege an das Magdeburger Kollegialstift St. Petri und Pauli über. Für die Vituskirche in Osnitz hingegen gab es keine vergleichbare Regelung – ein Umstand, der zu einer beispiellosen Zersplitterung von Besitz- und Rechtsverhältnissen führte, die den Ort bis ins 19. Jahrhundert prägte.

Eine Grenze mitten durch Teutschenthal

Im Laufe der Jahrhunderte fielen die Merseburger Besitzungen an das Herzogtum Sachsen-Merseburg und gingen später im Kurfürstentum, dann Königreich Sachsen auf. Die Kaltenborner Güter dagegen kamen über das Bistum Halberstadt zum Erzstift Magdeburg an Brandenburg und damit schließlich an Preußen.

Am Ende dieser territorialen Entwicklung stand eine Staatsgrenze, die in nord-südlicher Richtung mitten durch den Ort verlief. Die Grenzlinie trennte das sächsische Oberteutschenthal vom preußischen Unterteutschenthal ungefähr auf Höhe des heutigen Friseursalons von André Herzog. Ein alter Grenzrain ist im Ortsbild noch heute erkennbar (Abb. 2 und 3). Die Teilung brachte nicht nur unterschiedliche Verwaltungs- und Gerichtsbarkeiten, sondern auch Zollabgaben mit sich. Erst der Wiener Kongress von 1815 beendete diese Situation, als die sächsischen Landesteile am Würdebach Preußen zugesprochen wurden.

Trotzdem blieben Unter- und Oberteutschenthal bis 1950 politisch selbstständig. Auch die alten Zuschreibungen hielten sich noch lange: So wurden die Einwohner von Oberteutschenthal weit ins 19. Jahrhundert hinein spöttisch als „Musspreußen“ bezeichnet.

Ein begleitender Dokumentarfilm des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt zum Kloster Kaltenborn ist hier abrufbar.

Mike Leske

(Stand: 31.10.2025)

Abb. 1
Abb. 1: Der freigelegte Chorbereich der Stiftkirche von Kaltenborn. Die Mauern waren hier teilweise noch bis über zwei Meter hoch erhalten (Foto: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, R. Prust).
Abb. 2
Abb. 2: Auf Höhe des Friseursalons Herzog verlief einst die Grenze zwischen dem sächsischen Oberteutschenthal und dem preußischen Unterteutschenthal (Foto: M. Leske).
Abb. 3
Abb. 3: Der alte Grenzrain hinter dem Friseursalon ist im Ortsbild noch heute erkennbar (Foto: M. Leske).