Gemeinde Teutschenthal

Eine wohlhabende Keltin in Eisdorf? Eine Gürtelkette und Aussagen zur vorgeschichtlichen Besiedlung der Eisdorfer Gemarkung

Das für das 900-jährige Jubiläum des Ortes zugrundeliegende Jahr 1121 stellt nicht den Ausgangspunkt für die Besiedlung der Eisdorfer Gemarkung dar. Dieses Datum bezieht sich lediglich auf die vermutete früheste Erwähnung des Ortes in den Schriftzeugnissen. Die Erschließung des Eisdorfer Raums durch den Menschen lässt sich dagegen bereits für die Jahrtausende zuvor bis in die Altsteinzeit hinein anhand archäologischer Spuren belegen. Das Spektrum an prähistorischen Funden ist dabei jedoch insgesamt als sehr spärlich zu bezeichnen. Nur wenige Eintragungen sind in der Eisdorfer Ortsakte im Fundstellenarchiv des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie in Halle (Saale) dokumentiert. Die karge Überlieferung an archäologischen Quellen spricht tendenziell dafür, dass die heutige Ortslage in der Talebene der Gemarkung Eisdorf aufgrund ihrer zu feuchten und sumpfigen Geländebedingungen in den prähistorischen Zeiten für eine dauerhafte Besiedlung eher ungeeignet war. Dennoch ist auf Grundlage der wenigen Lesefunde von einer zeitweiligen Besiedlung der seichten Höhenlagen rings um den Ort auszugehen.
Das wohl mit Abstand herausragende vorgeschichtliche Zeugnis menschlichen Daseins aus Eisdorf befindet sich heute im Besitz der Friedrich-Schiller-Universität in Jena (Abb. 1). Die aus Bronze bestehende Kette besticht vor allem durch ihre qualitätvolle Fertigung. Sie setzt sich aus 14 teilweise aufgebogenen Ringen zusammen, die durch 13 zum Teil gebrochene Ringstäbe verbunden werden. Ein unvollständiger Haken am Kettenende diente ursprünglich als Verschluss.
Die Provenienz lässt sich bis zu einem Katalog des Pfarrers Arno Schröder aus Hainichen (Saale-Holzland-Kreis) zurückverfolgen. Unter der Nummer 507 findet sich darin die Eintragung: „Kette aus Bronze mit Schlußhaken; Fundort: Eisdorf (Halle); Bemerkung: 13.II.1900“.  Offenbar war das Stück um die vorletzte Jahrhundertwende auf Eisdorfer Flur entdeckt worden und hatte später aus der Privatsammlung Eingang in die Jenaer Bestände gefunden.
Alle 28 Kettenkomponenten wurden in einem aufwendigen Gussverfahren gefertigt. Der handwerklich anspruchsvolle Herstellungsprozess wird besonders durch die vorgetäuschte Geschlossenheit der einzelnen Ringe deutlich. Jeweils eine Öse der Stangenglieder wurde mittels einer hauchdünnen Trennwand geschlossen, um die Sichtbarkeit der Naht durch ein Drehen des Ringes zu verhindern. Aufgrund der Variation zwischen Ring und Verbindungssegment werden diese Ketten häufig als Stangengliederketten bezeichnet. Um die Taille getragen dienten solche bronzenen Geflechte nicht nur dem Zusammenhalt bzw. dem besseren Sitz der Kleidung. Besonders bei den Kelten galten Gürtelketten als Statussymbole und waren wertvolles Zubehör der Frauenmode (Abb. 2). Aufgrund ihrer Exklusivität waren sie der Oberschicht vorbehalten. Bereits der griechische Geschichtsschreiber Diodor berichtet um 50 v. Chr. von der Auffälligkeit keltischer Gewänder. Da Textilien archäologisch leider nur sehr selten fassbar sind, beschränkt sich das Fundspektrum in der Regel auf Trachtenelemente aus anorganischen Materialien; darunter auch bronzene Gürtelketten, von denen mehr als 20 oberhalb der Mittelgebirge entdeckt wurden. Sie zeigen, dass die Bekleidungsaccessoires der Kelten auch bei den nördlichen Nachbarn beliebt waren. Die Forschung gliedert die Gürtelketten nach ihren Fundregionen, die dabei nicht den Herstellungsraum, sondern die Absatzgebiete widerspiegeln. Das Eisdorfer Exemplar entspricht dem mitteldeutschen Typ, von dem 14 Vertreter diesseits des Thüringer Waldes bekannt sind. Die Machart spricht für eine süddeutsche Werkstatt und nicht für eine Nachahmung aus einer regionalen Produktionsstätte. Mit einer zeitlichen Einordnung zwischen 250 - 150 v. Chr. steht die Gürtelkette aus Eisdorf am Ende einer knapp 100-jährigen Entwicklung, die mit dünneren einfacheren Kettengliedern in der 1. Hälfte des 3. Jh. v.Chr. begann.
Doch wie gelangte dieses kostbare Trachtenelement aus dem keltischen Kulturkreis in unsere Breiten? Vielleicht zog es eine Keltin durch Heirat nach Mitteldeutschland oder die Kette wurde als hochwertige Importware hierher verhandelt. Das südliche Sachsen-Anhalt war noch im zweiten nachchristlichen Jahrhundert als „Heim der Teurier“ bekannt. Die sog. Naumburger Gruppe, die wir für die späte Eisenzeit in unserem Gebiet archäologisch fassen können, dürfte mit diesem Stamm identisch sein. Die Vertreter der Naumburger Gruppe pflegten im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. enge Kontakte zu den südlich der Mittelgebirge beheimateten Kelten. Die Gürtelkette aus Eisdorf könnte damit durchaus als Beleg für den intensiven Austausch der hiesigen Bevölkerung mit der keltischen Welt zu bewerten sein. Zudem unterstreicht sie die Vernetzung der Region und die weitreichenden Handelsbeziehungen seinerzeit. Der Zustand der Gürtelkette mit ihren aufgeworfenen Oberflächen deutet die Einwirkung starker Hitze an. Womöglich begleitete das exklusive Kleidungsaccessoire seine wohlhabende Trägerin als Grabbeigabe ins Jenseits. Gemäß den damaligen Bestattungssitten wurde die Dame zusammen mit ihrer persönlichen Habe verbrannt und in einer Urne beigesetzt. Ob der Gürtelhaken dabei absichtlich zerstört wurde, um die Kette unbrauchbar zu machen, kann nicht entschieden werden. Womöglich wurde das Brandgrab bei der Feldarbeit durch den Pflug zerstört und die Kette so als Lesefund nach über 2000 Jahren an die Erdoberfläche befördert. Da der Befundzusammenhang fehlt, können keine weiteren Aussagen zu den zugehörigen Siedlungsverhältnissen getroffen werden.
 
Datierung: ca. 250 - 150 v. Chr. (Latènezeit Stufe C)
Material: Bronze; erhaltene Länge Gürtelhaken ca. 7,8 cm; Breite Gürtelhaken max. 4,8 cm; Durchmesser Gürtelringe ca. 3,3 cm; Querschnitt Ringstab Gürtelring ca. 0,8 cm; Länge Verbindungsglied bzw. Ringstab ca. 3,4 cm.
Verbleib: Jena, Friedrich-Schiller-Universität; Inv.-Nr. 20507
 
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Thema und weitere Aussagen zu anderen prähistorischen Funden aus Eisdorf sowie eine umfangreiche Abhandlung zur Ortsgeschichte finden Sie in der pünktlich zur Festwoche erscheinenden Eisdorfer Heimatchronik.
 
Mike Leske M.A.
 
Quellen und Literatur

  • Inventarbuch des Lehrstuhls für Ur- und Frühgeschichte mit Sammlung UFG der Friedrich­Schiller-Universität Jena.
  • H. Meller/R. Schwarz, Keltinnen in Mitteldeutschland? In: H. Meller/K. Geppert (Hrsg.), Himmelsscheibe, Eiszeitriesen, Jenseitsreiter. 270 Funde aus 140 Jahren Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Halle [Saale] in Vorbereitung).
  • Ortsakte Eisdorf/Saalekreis, OA-ID 2104 im Fundstellenarchiv des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA).
  • Ptolemaios, Geographike 2,11,11 (online unter http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Gazetteer/Periods/Roman/_Texts/Ptolemy/2/10.html (Zugriff am 16.01.2021).
Abb. 1 Die späteisenzeitliche Gürtelkette aus Eisdorf klein
Abb. 1: Die späteisenzeitliche Gürtelkette aus Eisdorf. Foto: Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte mit Sammlung UFG der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Ivonne Przemuß.
Abb. 2 Tragweise der Gürtelkette klein
Abb. 2: Tragweise eisenzeitlicher Gürtelketten. Zeichnung: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Karol Schauer.