Neues Bestattungsgesetz in Sachsen-Anhalt: Mehr Freiheit und neue Konfliktlinien
Sachsen-Anhalt hat ein Bestattungsgesetz verabschiedet, das eine Liberalisierung in zentralen Bereichen vorsieht. Besonders ins Blickfeld geraten ist die Aufhebung der Sargpflicht (bzw. die Zulassung von Tuchbestattungen unter bestimmten Bedingungen). Doch was ändert sich damit und welche Herausforderungen sind damit verbunden?
Was genau ist neu?
- Die Novelle des Bestattungsgesetzes enthält mehrere bedeutende Änderungen:
- Die Sargpflicht wird gelockert: Künftig kann eine Bestattung ohne Sarg in einem Leichentuch möglich sein – allerdings nur unter bestimmten Bedingungen und aus religiösen Gründen.
- Die Entscheidungshoheit über diese Form liegt bei den Friedhofsträgern: Sie können in ihren Satzungen regeln, ob Tuchbestattungen vor Ort zugelassen werden.
- Eine zweite Leichenschau wird eingeführt – also nicht nur bei Feuerbestattungen, sondern bei jeder Bestattungsart.
- Für sogenannte Sternenkinder (tot geborene Kinder oder Kinder, die unmittelbar nach der Geburt versterben) soll künftig eine gesetzlich geregelte, würdevolle Bestattung sichergestellt werden. Zudem sind Kliniken verantwortlich, wenn Eltern es nicht veranlassen.
- Ebenfalls neu ist die Möglichkeit, bis zu 5 Gramm Asche entnehmen zu lassen, etwa für Erinnerungsstücke (z. B. Gedenkdiamanten) – sofern der Verstorbene seinen Wohnsitz in Sachsen-Anhalt hatte und zu Lebzeiten nicht schriftlich widersprochen hat.
- Zudem werden Vorschriften geschaffen, mit denen Grabsteine, die unter ausbeuterischen Bedingungen (z. B. Kinderarbeit) hergestellt wurden, ausgeschlossen werden können.
- Für im Auslandseinsatz verstorbene Bundeswehrangehörige wird ein dauerhaftes Ruherecht in Ehrengräbern gesetzlich verankert.
Diese Änderungen sollen dem Gesetz mehr Flexibilität und kulturelle Offenheit verleihen. So formuliert es das zuständige Ministerium: Die interkulturelle Öffnung sei ein zentrales Anliegen.
Chancen und Beweggründe
Die Gesetzesreform folgt mehreren Motiven und eröffnet auch neue Möglichkeiten:
- Religiöse Vielfalt und Respekt
Für Angehörige muslimischer oder jüdischer Gemeinschaften ist die Bestattung im Tuch eine religiöse Verpflichtung. Die Gesetzesänderung gewährt mehr Raum für religiöse Praktiken und bringt eine größere Sensibilität gegenüber Diversität. - Selbstbestimmung über den letzten Willen
Mit der Option, Asche zu entnehmen und Erinnerungsstücke anzufertigen, stärkt das Gesetz den Gedanken, dass Menschen selbst über Details ihrer Bestattung verfügen dürfen – wenn sie das zu Lebzeiten festgelegt haben. - Sicherheit und Kontrolle durch zweite Leichenschau
Die zusätzliche Leichenschau soll mögliche unerkannte Todesursachen besser aufdecken und damit auch zur Forensik oder Strafverfolgung beitragen. - Gleichbehandlung und Modernisierung
Das neue Gesetz soll bestehende Regelungen aktualisieren und an moderne gesellschaftliche Anforderungen anpassen. Viele Bundesländer haben bereits Ausnahmen von der Sargpflicht zugelassen – Sachsen-Anhalt zieht damit nun nach.
Ausblick und Bedeutung
Das neue Bestattungsgesetz markiert einen Schritt hin zu mehr Wahlfreiheit, kultureller Sensibilität und moderner Rechtsgestaltung. Ob es sich in der Praxis bewähren wird, hängt davon ab, wie konsequent und einheitlich die Umsetzung erfolgt – ob lokale Friedhöfe die neuen Optionen zulassen und wie oft Antragstellungen oder Ablehnungen erfolgen.
Für Angehörige kann das Gesetz zusätzliche Möglichkeiten eröffnen – besonders dort, wo religiöse Traditionen bisher nicht berücksichtigt wurden. Für die Gesellschaft insgesamt stellt es ein Signal dar: Auch im sensiblen Bereich des Todes darf Gesetzgebung veränderbar sein und auf neue Anforderungen reagieren.
Stefanie Becker (SB Öffentlichkeitsarbeit)