Zur Namensherkunft und über die Geschichte der Eisdorfer Pflaumenkabel
Seit Generationen wird die als Pflaumenkabel bekannte Festwiese unweit der Eisdorfer Ortsfeuerwehr mit ausgelassener Geselligkeit und zünftigen Feiern in Verbindung gebracht. Eingeengt zwischen dem Deich des Würdebaches und der Straße An der Würde, verjüngt sich die schmale Fläche auf einer Länge von ca. 150 m in ostwestlicher Richtung (Abb. 1). Doch seit wann feiern die Eisdorfer hier ihre Feste und wie kam es eigentlich zu der aus heutiger Sicht recht ungewöhnlich klingenden Bezeichnung?
Die Suche nach dem Namensursprung der Pflaumenkabel führt uns bis ins Mittelalter zurück. Das Grundwort „Kabel“ ist aus dem mittelniederdeutschen kável(e) entlehnt und bedeutet Los; genauer bezeichnet es ein bearbeitetes Stück Holz zum Losen. Gemeindeland wurde seinerzeit häufig per Losentscheid an ortsansässige Bauern zugeteilt, damit diese es für eine bestimmte Zeit nutzen konnten. Nach Ablauf des zuvor festgelegten Zeitraums wurde das Land wieder neu vergeben. Im übertragenen Sinne umschreibt der Begriff also ein „erlostes Stück Gemeindeland“. Der Begriff „Kabel“ war noch bis in das 20. Jahrhundert im Umlauf und hat erst in der Nachkriegszeit allmählich seine Bedeutung verloren. Nicht zu verwechseln ist der Ausdruck übrigens mit dem in Sachsen verbreiteten gleichlautenden Terminus. Hier stand die „Kabel“ für Heuleich(e) und bezeichnete einen Haufen aus getrocknetem Gras. Da es im weitesten Sinn auch eine Ebene, Anlage oder Lege charakterisierte, entwickelte sich daraus ein Flächenmaß auf der Basis der sächsischen Maße und Gewichte. Die Bezeichnung als Pflaumenkabel deutet den ursprünglichen Bewuchs mit Pflaumenbäumen an. Noch bis zum Ende der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts befand sich auf dem vom Würdebach getrennten, gegenüberliegenden Gelände, auf dem sich heute die Kleingartensparte “Am Mühlberg“ befindet, eine Pflaumenplantage. Womöglich geht diese auf eine Streuobstwiese aus mittelalterlichen Zeiten zurück.
Eigentlich diente der unmittelbar nördlich der Eisdorfer St.-Johannis-Kirche angrenzende Platz seit der mittelalterlichen Ortsgründung der Einwohnerschaft zu öffentlichen Terminen und Festen. Mit der allmählichen Überbauung des Anger - wahrscheinlich spätestens ab dem 18. Jahrhundert - musste die Funktion als Versammlungsort an den südlichen Ortsrand verlagert werden. Dank der Errichtung des Würdebach-Deiches nach einem verheerenden Hochwasser im Mai 1798 war die dortige Fläche vor Überschwemmungen geschützt. Welche Feste und Bräuche in diesen Zeiten hier gepflegt wurden, ist nicht überliefert. Regelmäßige Feiern waren aber mit großer Sicherheit ein fester Bestandteil der Dorfgemeinschaft und wurden zu verschiedensten Anlässen abgehalten. Zu den ältesten Festen auf der Pflaumenkabel dürfte zweifellos das sog. Kranzreiten gehören. Bei diesem in der Region weit verbreiteten Wettkampf traten Reiter auf ihren Pferden gegeneinander an. Mittels einer meterlangen Stange versuchten sie im Galopp einen aus Maiengrün gewickelten und ca. 30 Zentimeter messenden Kranze abzureißen, der oben in einem Girlanden geschmückten Tor angehängt war. Begleitet wurde das Spektakel von Musik, Tanz und allerlei Unterhaltung. Eine 1951 herausgegebene Verfügung untersagte „das Hauen und Stechen vom Pferde“ in der frisch gegründeten DDR. Mit dem sog. Ballreiten, bei dem im Vorbeigaloppieren ein Ball mit der Hand gegriffen werden musste, wurde das Turnier in gewisser Weise zwar noch einige Jahre fortgesetzt, doch konnte auch diese „Notlösung“ den Niedergang der alten Tradition nicht verhindern.
Die Pflaumenkabel diente aber nicht allein für diverse Dorffeste und Zusammenkünfte. Mit Genehmigung der Gemeindeverwaltung nutzen die Spieler des gerade ins Leben gerufenen Eisdorfer Fußballclubs 1918 den Platz als Spiel- und Trainingsstätte. Die gegebenen Verhältnisse verhinderten jedoch auf Dauer den Aufbau eines geregelten Spielbetriebs, sodass die Fußballer bald eine neue Spielstätte auswichen. Als Bolzplatz für die jüngeren Eisdorfer Kicker war die Pflaumenkabel aber weiterhin ein beliebter Treffpunkt (Abb. 2). Als Übungs- und Wettkampfbahn wird der langgestreckte Platz auch von der hiesigen Feuerwehr genutzt. In diesem Zusammenhang findet seit 2006 der „Nachtwettkampf-Löschangriff-nass“ statt, an dem auch Wehren aus verschiedenen Ortschaften im Saalekreis teilnehmen.
Heute ist die Pflaumenkabel den Meisten vor allem dank des hier jährlich stattfindenden viertägigen Feuerwehrfestes oder dem Sommerfest ein Begriff (Abb. 3). Wichtige Voraussetzungen für diese Veranstaltungen waren bereits 1988 mit dem Bau der Außentoilettenanlage und im darauffolgenden Jahr mit einer Tanzfläche geschaffen worden. Die bunten Treiben erfreuen sich seit vielen Jahren großer Beliebtheit und ziehen nicht nur Besucher aus Eisdorf an. Hoffen wir, dass wir diese inzwischen längst zur Tradition gewordenen Feste bald wieder an alter Stelle begehen können.
Mike Leske M.A.
Literatur und Quellen:
- Manfred Döll, Die Flurnamen des Saalkreises - Teil 2. In: Heimat-Jahrbuch Saalkreis, Band 10 (Halle 2004), S. 42-46.
- Margarete Gerlach, Teutschenthal in alten Ansichten (Zaltbommel 1997).
- Johann Georg Mensel, Sammlung und Abstammung: Germanischer Wurzel - Wörter. Johann Jacob Gebauer (Halle 1776).
- Unveröffentlichtes Skript zur Festrede des 90-jährigen Jubiläums der FFW Eisdorf (Eisdorf 2017)
- Duden.de, https://www.duden.de/rechtschreibung/Kabel_Gewinn (Zugriff am 03.05.2021)